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„Nehmt es Gott nicht übel!“



Der Priester Sergei Rybakow weigerte sich, das vom Patriarchen  verfasste Gebet "Für den Sieg" zu verlesen. Deshalb war er "auf eigenen Wunsch" gezwungen, die Kirche der heiligen Märtyrerin Tatiana bei der Samara-Universität zu verlassen. Wir veröffentlichen Auszüge aus seinem Interview mit unserem Portal.


Vater Sergei, die Unterstützung des Krieges durch die Russisch-Orthodoxe Kirche hat viele Menschen von der Kirche abgestoßen. Wie haben Sie als Priester die Nachricht aufgenommen, dass Russland einen Krieg gegen ein befreundetes Land begonnen hat?

Zu meiner tiefen Enttäuschung hat dieser Krieg das Bild der Russisch-Orthodoxen Kirche verzerrt und es in eine Grimasse voller Wut und Bosheit verwandelt. Ich erkannte einige Freunde nicht mehr, viele Gemeindemitglieder, mir nahestehende Menschen. Ich hoffte aufrichtig darauf, dass der Patriarch die ihm anvertraute Kirche aufruft, sich an die Mission des Friedens zu erinnern, eine Mission der Versöhnung zwischen zwei Völkern zu übernehmen

Ich möchte alle Verirrten zur Vernunft rufen: Christentum, Orthodoxie - das ist nicht das "dreieinige heilige Russland", nicht der "heilige Krieg", wie uns die Propagandisten mitteilen wollen. In den ersten Monaten der Kriegshandlungen weigerte ich mich, das Gebet des Synods "Für den Sieg" zu lesen. Stattdessen las ich das Gebet des heiligen Nikolaus von Serbien, das von einem Herzen geschrieben wurde, das sich nach Frieden in der ganzen Welt sehnte. Ich kann immer noch nicht begreifen, wie wir, die dieselben Sakramente empfangen, plötzlich an einem Punkt gegenseitiger Feindseligkeit angekommen sind.


Sind Sie vom Dienst suspendiert worden?

 

Anfangs gab es "warnende" Anrufe aus der Diözese von einem Sekretär des Bischofs: "Was redest du da? Du Verräter, Judas, unsere Jungs sterben wegen dir. Wir werden dich nicht vor dem Metropoliten verteidigen, wenn Informationen zu ihm gelangen." Es begann psychologischer Druck in Form von Drohungen gegen Gemeindemitglieder, die Mitarbeiter des Diözesanamts waren und zu mir in den Gottesdienst kamen. Ihnen wurde offen gesagt, dass, wenn sie weiterhin zu mir gehen, ihnen die Ausreise aus dem Land verweigert werde. Diese Drohungen kamen von einem Anwalt der Diözese, einem ehemaligen Oberst des FSB. Im März 2023 rief mich der Metropolit an, um Informationen weiterzugeben, dass die höchsten Generäle der regionalen FSB darum baten, mich anzuweisen, dass ich "auf dem Radar" ganz oben stehe. A 15. Mai vorigen Jahres habe ich dann meine Kündigung eingereicht. Die wurde schnell unterschrieben, sogar ohne meine Anwesenheit. Übrigens, Gerüchten zufolge, die zu mir durchdringen, hat sich der Prozess der Abspaltung der Kirche offenbar eingestellt…


Wie haben anderen Priester, mit denen Sie in der Kirche gedient haben, auf eine so offensichtliche Ungerechtigkeit reagiert?

 

Nur vier meiner Freunde haben mich unterstützt. Ich habe keinen Anruf, keine Nachricht und keinen Gruß durch Dritte mehr erhalten. In der Diözese begannen Gerüchte zu verbreiten, dass ich ein Betrüger sei, der an den Gemeindemitgliedern Geld verdient hat und gegangen ist, sobald es für mich nicht mehr vorteilhaft war.

 

Wie geht es Ihnen jetzt? Schließlich sind Sie der einzige Ernährer einer großen Familie, Sie haben sechs Kinder.

 

Ich bin jetzt ohne Kirche, also ohne Arbeit, und das bedrückt mich sehr. Manchmal kann ich zu einem Freund in ein abgelegenes Dorf fahren, wo mich niemand kennt, und dort einen Gottesdienst zelebrieren. Aber das war das letzte Mal im Sommer. Die Kinder verstehen nicht, warum sich alles so plötzlich geändert hat. Nach dem Vorfall landete ich mit nichtspezifischer Colitis ulcerosa im Krankenhaus und stehe jetzt lebenslang unter Beobachtung und nehme Medikamente. Ich habe lange nach neuen Möglichkeiten gesucht, meine Berufung, Gott und den Menschen zu dienen, zu verwirklichen. Ich habe gelernt, mich über die Möglichkeiten zu freuen, die sich bieten. So hat mich die Gemeinde während meiner Rehabilitationszeit sehr unterstützt. Dann erhielt ich überraschend ein Angebot von einer alten Bekannten, in ihrer IT-Firma als Marketingexperte einzusteigen. Derzeit werde ich auf Kosten des Unternehmens geschult und entdecke neue Horizonte für mich.


Aus dem Abschiedsbrief von Vater Sergei an seine Gemeindemitglieder:

"Ich bitte euch alle um Verzeihung, dass ich diesen Ring nicht bewältigt, nicht gehoben, nicht nach Mordor getragen habe und in Hilflosigkeit umgefallen bin .... Verzeiht mir, meine Familie! Ich werde unsere Gottesdienste, unsere Umarmungen während der Liturgie und unsere Gespräche außerhalb der Liturgie sehr vermissen.... Bitte brandmarkt mich nicht als Verräter! Versucht, soweit ihr Liebe und Verständnis habt, mich zu verstehen .... Ich bitte euch nur um eines - nehmt es Gott nicht übel, geht nicht aus der Beziehung zu Ihm wegen meiner Entscheidung.... Er lenkt alles zum Guten! Verleugnet mich auch nicht - dieser Schmerz wird für mich sehr schwer zu ertragen sein. Denkt an mich und meine Familie in euren Gebeten".



Übersetzung aus dem Russischen





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